Der Sommer geht langsam in die Zielgerade, die meisten von uns sind aus dem Urlaub zurück. Das schöne Wetter dauert aber an, Sonnenschein und milde Abende laden dazu ein, zwischendurch die Seele baumeln zu lassen. Wir alle haben wahrscheinlich dazu einen bestimmten Ort, einen Lieblingsplatz. Dort halten wir inne und laden unsere „inneren Batterien“ wieder auf. Stille Orte, Orte wo gefeiert wird. Orte, wo wir Sport treiben und aktiv sind. Orte, wo wir mit der Natur in Kontakt oder mit anderen Menschen ins Gespräch kommen. Lieblingsorte!
Wir haben für die „Sommer-Serie“ in diesem Jahr ein paar Niedernhausener Lieblings-Orte aufgesucht. In jedem Ortsteil haben wir Menschen gefragt, wo sie sich gerne aufhalten. Welcher Ort ihnen etwas bedeutet. Manchmal ist das sehr individuell, ein Lieblingsort kann der eigene Garten sein oder die Werkstatt im Keller. Andere Lieblingsorte sind öffentlich und „gehören“ uns allen. Um diese soll es besonders gehen.
Heute geht's zu einem besonderen Aussichtspunkt!
Sonne auf der Nase, Wind in den Haaren, die Füße hochgelegt. Ein Vogel singt, und aus der Ferne leises Rauschen… Klingt nach Urlaub an der Nordsee oder am Mittelmeer? Wir machen die Augen auf und sehen – wir sind daheim im Taunus. Was in der Ferne rauscht, ist die Autobahn. Aber die Aussicht ist phänomenal! Eine typische Taunus-Aussicht: Von der Höhe weit ins Tal, und wieder zur nächsten Höhe hinauf! Der Blick geht weit hinaus, aber die Landschaft gibt Struktur. Wir sind auf einem Hügel oberhalb von Oberseelbach, wir schauen über den „Seelbacher Grund“ bis zur Hohen Kanzel, dem höchsten „Berg“ Niedernhausens. Der Grund warum wir so bequem halb sitzen, halb liegen: Hier steht keine gewöhnliche Feld-, Wald-, und Wiesensitzbank, sondern eine ergonomisch geformte „Liegebank“. Mit lässig hochgelegten Füßen ist das Gefühl irgendwo zwischen Sitzen und Liegen, wie in gewissen Designersesseln… Nur eben mitten in der Natur…

Die Stelle am Waldrand oberhalb des Dorfes ist schon seit Generationen ein Aussichtspunkt und eine beliebte Stelle zum Inne halten und Atem schöpfen. Da kam irgendwann die Idee auf, auf diesem Hügel einen aufgewerteten Ort zu schaffen, an dem man die wunderbare Aussicht in einer etwas besonderen Umgebung genießen kann. 2023 erhielt Oberseelbach Fördermittel aus dem Programm „Zukunft Dorfmitte“ des Rheingau-Taunus-Kreises, und damit konnte die Idee einer besonderen Sitzgelegenheit Gestalt annehmen. Ergonomisch geformte Liegebänke sind als spezielle „Ruhepunkte“ seit einigen Jahren in Parks und ähnlichen öffentlichen Räumen immer beliebter geworden. So eine Bank wollten die Oberseelbacher an ihrem Lieblings-Aussichtspunkt umsetzen.

Mehrere Oberseelbacherinnen und Oberseelbacher berichten, wie sie lange über den genauen Standort der Bank hin- und herüberlegt haben. „Hier war bis auf den Meter genau die beste Fernsicht, weiter oben wäre gegangen, aber dort sind Bäume im Weg!“ erklärt Gunter Andrä die Wahl des Ortes vor einer Hecke oberhalb des Grillplatzes. Ortsvorsteher Andi Horning erinnert sich gerne daran, dass die Bank ein „Gemeinschaftswerk“ war: „Wie immer, wenn wir in Oberseelbach eine Aktion anstoßen, hatten wir keinen Mangel an freiwilligen Helferinnen und Helfern!“

Die erste Version der Bank wurde leider noch vor Vollendung durch Vandalismus schwer beschädigt: „Oh Herr, lass Hirn vom Himmel regnen…!“ – Doch schließlich konnten Bank und Umgebung als kleiner, feiner Rastplatz in der Natur im Herbst 2023 eröffnet werden. Der Liegebank zur Seite stehen einige weitere rustikale Sitzgelegenheiten aus Holz, ein Schild informiert zur Höhe des Ortes (390 Meter). Darunter wartet in einem Kasten etwas auf rastende Wanderer, das man eigentlich eher aus den Alpen kennt: Wer möchte, kann sich hier in das Oberseelbacher Gipfelbuch eintragen!

Schon wenige Monate nach seiner Hinterlegung ist dieses Gipfelbuch schon interessante Lektüre. Nicht nur mit Namen und Datum, auch mit Versen, lustigen Sprüchen und Zeichnungen haben sich Menschen hier verewigt. Darunter zufällig Vorbeigewanderte und auch „Stammgäste“. Hier zeigt sich was das Attraktive dieses schönen Fleckchens ist: die Panoramabank ist ein echter „dritter Ort“. Diesen Begriff hat der amerikanische Soziologe Ray Oldenbourg geprägt. Er meinte damit einen Ort, der weder unser Zuhause noch unser Arbeitsplatz ist, also eine Art Gegengewicht zu diesen beiden Orten und zu dem, was wir mit „zu Hause“ und „auf der Arbeit“ verbinden. „Dritte Orte“ sind Orte, an denen wir allein zur Ruhe kommen, oder aber wahlweise auch mit anderen Menschen in Austausch treten. Wo wir Bekannte treffen oder neue Menschen zufällig kennen lernen, und in diesen Fällen unsere Netzwerke und Gemeinschaften stärken. Das Beste an einem wirklich guten „dritten Ort“: Man hat dort keine Verpflichtungen, man braucht nichts bezahlen, um dort sein zu können. Man kann sich auf sich selber oder auf die Menschen konzentrieren, die Ort und Moment mit einem teilen.

Von genau solchen Momenten kündet das „Oberseelbacher Gipfelbuch“ schon heute. Die Menschen kommen zum „Seele baumeln lassen“ an die Panoramabank, manchmal auf einen Kaffee oder eine „Streuobstwiesen-Spätlese“. Vielleicht kommt auch manchmal jemand mit dem einen oder anderen schweren Gedanken. Die Ruhe und die wunderbare Aussicht werden einen aber sicher zumindest etwas ermutigt und getröstet wieder ins Tal steigen lassen!
Die gefüllten Gipfelbücher werden übrigens in Zukunft im Obergeschoss des Oberseelbacher Backes archiviert werden. Kein Zweifel, dass sie über die Jahre eine schöne Quelle zur Dorfgeschichte werden!
Es folgt eine kleine Auswahl aus Einträgen im aktuellen Gipfelbuch:




